Werkbesichtigung BMW-Werk in Berlin/Spandau

Der Bereich von euren Touren mit euren F 800 - Motorrädern.

Werkbesichtigung BMW-Werk in Berlin/Spandau

Beitragvon baerliner » 27.10.2013, 17:45

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Liebe Mitreisende,

wie schon in meiner Vorstellung angedeutet, war ich letzten Montag bei BMW in Spandau zu einer Werkbesichtigung und es war ein einzigartiger Event. Kann ich jedem nur empfehlen und man kann auch einfach so hingehen...es wird keine Kontrolle einer Anmeldung gemacht und ob da ein paar mehr oder weniger Leute sind, scheint nicht zu interessieren. Ich war am letzten Montag um 14:30 Uhr dort und man trifft sich vor dem Tor 1 am Juliusturm.

Nach der kurzen Begrüßung durch einen sehr jungen Guide wurden wir ohne weitere Kontrollen zum Besucherzentrum quer übers Gelände gebracht. Fast alle Gebäude aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts - schöne Industrie Backsteingebäude, die auch unter Denkmalschutz stehen und selbst Rolltore müssen sehr aufwändig eingebaut werden. Fotografieren ist strikt verboten...lediglich im Besucherzentrum konnte ich ein paar Bilder machen, die ich auch unten anhänge.

Im Besucherzentrum gab es erst mal einen Kaffee oder Wasser for free. Hier konnten auch die Klamotten abgelegt werden. Ich war selbstverständlich mit dem neuen Bike vorgefahren (Parken ist sehr angenehm für Bikes direkt am Toreingang) und war dankbar für die Schließfächer. Allerdings haben sie keine Schließfächer, die groß genug für den Helm sind (als Hersteller von Motorrädern fast schon ein Unding), aber der freundliche Guide bot an, die Helme im Präsentationsraum einzuschließen...allerdings unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung. Im Besucherzentrum sind einige Bikes (alte und neue) ausgestellt und auch einige Konzeptstudien dargestellt. Nach dem ersten Kaffee und Probesitzen ging es dann in den Präsentationsraum, wo wir noch mal alle begrüßt wurden, ein sehr schnittiger Film gezeigt wurde und ein kurzer Vortrag vom Guide gehalten wurde. Hier gab es dann auch Gelegenheit Fragen zu stellen. Er zeigte uns, in welchen Ländern BMW welchen Marktanteil hat (Europa mit knapp 50 %, Asien mit immerhin knapp 3 %, Australien kam auf 5 % und die USA waren mit immerhin 10 % im Rennen. Südamerika kam auf 11 %, was ich recht ordentlich finde). ALLE (!) BMW-Maschinen werden in Berlin montiert, was nicht heißt, dass auch die Motoren aus Berlin kommen, aber das wussten wir F800-er ja auch schon vorher. Für den Lateinamerikanischen Markt findet bei Brasilien wohl noch eine Art Lohnveredelung statt - aus steuerlichen Gründen, wie der Guide uns sagte.

Es gab noch ein paar Infos zur Marktentwicklung und es war gut zu sehen, wie BMW seinen Marktanteil von 2005 bis 2012 fast verdoppelt hat.Ich muss zugeben, dass ich die absoluten Zahlen vergessen habe, meine mich aber erinnern zu könnten, das knapp 120.000 Maschinen in 2012 verkauft wurden. Pro Tag werden knapp 800 Bikes produziert und das immer auf Kundenauftrag. Jedes produzierte Bike hat bereits einen Kunden und manchmal sind es halt auch Vorführmaschinen für die Händler und den Konzern selbst, die dann oft erst später einen Endkunden bekommen. Ich wollte jetzt keine Frage zu Vorlaufproudktion stellen, aber fragte ob es denn Produktion von halbfettigen bzw. halbkonfektionierten "Rohlingen" gäbe, was aber strikt verneint wurde. Nur Produktion, wenn ein Auftrag vorliegt. Das bedeutet auch, dass die Kollegen im Winter weniger zu tun haben, weil saisonbedingt auch weniger gekauft wird. Dann werden Zeitguthaben aus der Hochsaison abgebaut - man hat offenbar ein sehr flexibles Zeitkonstensystem und einen gutmütigen Betriebsrat; aber anders geht es ja auch gar nicht. Im übrigen ist der Krankenstand im Werk erstaunlich niedrig: 1,5 % beim indirekten Personal und 7,5 % beim direkten Personal (konnte ich auf einen der vielen Aushänge mit Kennzahlen und Produktionszahlen im Werk sehen).

Nach dem Vortrag und einigen Sicherheitsanweisungen (nichts anfassen, nicht alleine laufen usw.) gingen wir in die Motorenfertigung. Wir sahen wie die Getriebe- und Motorteile als Rohlinge (von Thyssen Krupp) weiter veredelt, gefräst und gehärtet werden. Das passiert alles unter großen Qualitätsbemühungen und jede Pleuelstange und jedes Getriebezahnrad wird manuell von einem Mitarbeiter kontrolliert und sogar persönlich abgestempelt. Montierte Teile werden auf Gängigkeit innerhalb der Toleranzen persönlich geprüft und mitten in der Produktion ist ein Labor eingerichtet, dass die Teile mit "Tast-Robotern" einspannt und an sehr vielen Prüfpunkten mit den Maßen der Originalzeichnungen stichprobenartig vergleicht und so die Qualität der Fertigungsprozesse misst. Uns wurde auch gesagt, dass wenn ein Mitarbeiter feststellt, dass ein Teil nicht den Normen entspricht, dieses auch direkt entsorgt wird.

Ich muss zugeben, dass ich technisch nicht sonderlich bewandert bin, daher mag die eine oder andere Beschreibung etwas holperig für die Experten daherkommen. Es sind halt meine Eindrücke und ich fasse es mit eigenen Worten zusammen. :-)

Es ging dann weiter zur Motorenmontage, wo der Motor dann zusammengesetzt und einem sogenannten Kalttest unterzogen wird. Dazu wird der Motor mit Öl gefüllt und an einem Elektromotor angedockt, der bei verschiedenen Drehzahlen überprüft, ob alle Teile reibungs- und rubbelfrei im Motor funktionieren und die erwarteten Kräfte auch an den Ausgängen des Motors angekommen. Das auch in verschiedenen Gängen. Und jeder Motor wird einzeln dieser Kontrolle unterzogen und auch hier wird gnadenlos ausgemustert, falls Spezifikationen nicht eingehalten werden.

Dann kam der spannendste Teil der Führung: Wir wurden in die Endmontage geführt. Und was soll ich sagen: Wir gingen an das Band, an der die F 800-er Serie gebaut wurde. Die übrigen Bänder waren nicht zu sehen, bzw. im anderen Bereich, der für uns gesperrt sei. Ich vermute, dass dort der neue E-Scooter gebaut wird. Also stand ich völlig beseelt vor der Linie und konnte sehen, wie am bereits mit Motor bestücktem Fahrwerk, die Reifen montiert wurden, Sitzbänke aufgesetzt wurden, Kabelbäume verlegt werden, Verkleidung angebraucht wurde, Benzin (laut EU-Verordnung sind nur 3.5 l erlaubt, also kein böser Wille von BMW, dass die Tanks so leer sind) und der Endtest durchgeführt wurde. Alle Schritte sind durchnummeriert und ich habe am Ende die Zahl 36 gesehen, also 36 Arbeitsstationen. Das war sehr spannend, weil nach dem letzten Produktionsschritt fährt ein Mitarbeiter die Maschine auf einen Prüfstand, wo über angedockte Sonden am Bus ein Prüfprogramm absolviert wird. Die Maschine wird auf Walzen gestellt und dann mit verschiedenen Gängen und Geschwindigkeiten (max 120 km/h) in Betrieb gesetzt. Dabei werden auch alle Beleuchtungen, Bremsen, Schaltungen und Lenkbewegungen durchgeführt. Der Mitarbeiter sitzt auf dem Motorrad und kann auch subjektive Eindrücke über das Verhalten der Maschine wahrnehmen. Er kann auch hier die Maschine noch ausmustern bzw. zur Nacharbeit geben. Jede Maschine wird diesem Test unterzogen, der etwas 5 Minuten dauert und für meine Begriffe sehr umfangreich ist. Alle Testdaten, auch aus den anderen Test, werden in der Kundenakte zum Motorrad für alle Zeiten aufbewahrt und sind dort jederzeit wieder abrufbar, wenn es notwendig sein sollte.

Das war alles so spannend und so umfangreich, dass ich gar nicht alles sehen konnte. Wir hatten auch vorher etwas viel Zeit vertrödelt und durch die Endmontage wurden wir etwas durchgedrückt. Wir mussten auch gebührenden Abstand zur Linie halten und da ständig Gabelstapler neue Teile an die Linie brachten (Reifen, Sitzbänke, Verkleidungsteile usw.) war die Sicht auch etwas eingeschränkt. Sie bauen innerhalb der F 800 alle Varianten kreuz und quer an der Linie. Da kommt eine GS nach einer R und dann wieder eine GT.... fand ich schon spannend zu sehen, dass dann auch immer die jeweils richtigen Teile zur Verfügung stehen und der Mitarbeiter für alle Varianten innerhalb von einer Sekunde auf die andere umschalten muss.

Wir verließen die Montagehalle und kamen an der Versandfläche vorbei, wo aber gerade nichts los war. Man sah entsprechende Versandkisten, die für Übersee sehr robust ausfielen und für den näheren Markt recht einfach aussahen. Man muss sich auch vorstellen, dass so ein Motorrad 4 Wochen nach Asien auf dem Schiff unterwegs ist.

Wir fand uns dann am Ende wieder im Besucherzentrum ein, wo es noch mal Kaffee gab und die Garderobe abgeholt werden konnte. Mein Helm war auch noch da und alles bestens. Es gibt noch eine Email-Liste, wo man sich eintragen kann, um die Führung zu beurteilen. Das habe ich gemacht und auch nur gute Noten vergeben. Der Guide war sehr gut informiert, freundlich und unkompliziert. Beim Verlassen des Besucherzentrums kommt man noch mal an einem BMW Gift-Shop vorbei. Ich weiß nicht, ob man da auch als Besucher reinkommt, speziell angeboten wurde uns das nicht und ich habe auch nur komische Plüschfiguren, T-Shirts und Tassen gesehen. Scheint wohl eher für Mitarbeiter zu sein, war aber offen vom Werkgelände zugängig. Vielleicht lohnt es zu fragen, falls sich jemand dafür interessiert.

Das Ganze hat 3.5 Stunden gedauert, war sehr informativ, aber auch etwas anstrengend, weil man dauernd stop-and-go läuft, nur steht und dauernd auf den Beinen ist. Ich war dann also wieder ganz froh, auf dem Bock sein zu können und bin dann freudig beseelt wieder nach Hause gefahren, konnte ich doch fast die Geburt meine GT sehen, die 4 Wochen vorher auch aus diesen Hallen gekommen ist.

Ein toller Nachmittag und ich kann es jedem nur empfehlen, der mehr über sein Motorrad wissen möchte. Man bekommt mit, wie ernsthaft BMW Motorräder nimmt und mit viel Leidenschaft und Professionalität an die Sache herangeht. Es wurde uns auch gesagt, dass man ein 5000 qm großes Nachbargrundstück erworben hat, um hier erweitern zu können... es scheint also noch viel zu kommen... von BMW und aus Berlin :-)

Falls Ihr noch mehr wissen wollt, einfach fragen. Ich versuche alles zu beantworten und hoffe, dass der eine oder andere auch mal Gelegenheit hat, so eine interessante Führung zu erleben. Die Führung kostet übrigens 6 Euro pro Person und wird über ein Audio-System mit einer Art Kopfhörer geführt. Das funktioniert bestens und man kann auch zwischendurch Fragen an den Guide stellen.

Viel Spaß, allzeit gute Fahrt und man sieht sich....

Andreas
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Re: Werkbesichtigung BMW-Werk in Berlin/Spandau

Beitragvon Mischl » 27.10.2013, 18:43

Vielen Dank für den tollen und vor allem informativen Bericht! Da ist für meinen kommenden Berlin Besuch ein Ausflugsziel fest eingeplant. :D

Grüße
Mischl
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Beitragvon Kajo » 27.10.2013, 18:44

Besten Dank für den ausführlichen Bericht. Die 6,00 € werde ich im nächsten Jahr auch mal investieren.

Gruß Kajo
Beim Tanken setzte ich den Helm ab.
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Re: Werkbesichtigung BMW-Werk in Berlin/Spandau

Beitragvon schmidt » 27.10.2013, 19:57

Hallo,
ich war im Sommer auch in Berlin und hatte noch ein paar Stunden Zeit und wollte gerne ins BMW Motorradwerk.
Leider war es mir nicht möglich an diesem Vormittag noch in eine Besuchergruppe geschoben zu werden.
Der "Besuchsleiter" konnte mir am Nachmittag noch einen Platz anbieten, aber da war ich schon wieder unterwegs nach Hause.
Die Anmeldung erfolgt über München und die Termine sind wohl nicht kurzfristig zu bekommen, leider.
Aber beim nächsten Mal werde ich mich rechtzeitig anmelden.
LG
schmidt
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Re: Werkbesichtigung BMW-Werk in Berlin/Spandau

Beitragvon CBR » 27.10.2013, 20:14

Wir fahren mit unserem BMW Händler im Dezember nach München ins BMW Werk und 3 Tage bummeln rund ums Hofbräuhaus :-)
Berlin im Werk war ich schon ist recht interessant.
Das nächste mal kommt das BMW Museum dran.
Gruß Gordon
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Re: Werkbesichtigung BMW-Werk in Berlin/Spandau

Beitragvon baerliner » 27.10.2013, 21:41

schmidt hat geschrieben:....
Die Anmeldung erfolgt über München und die Termine sind wohl nicht kurzfristig zu bekommen, leider.
.....


Hallo Schmidt!

Wie gesagt, ich hatte mich zwar auch übers Internet - http://www.bmw-besuchen.com/de/request - angemeldet, aber ich denke man kann auch einfach am nachmittag hingehen. Da wurde nichts kontrolliert und ich hatte den Eindruck, dass es auf einen mehr oder oder weniger nicht ankommt.

Vielleicht klapp res ja beim nächsten mal...

Viele Grüße

Andreas
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