Hallo Kollegen,
hier sind meine Erfahrungen zum PP3 und der Mailaustausch mit Michelin. Übrigens ein Bekannter von mir auf einer K 1200 S unterwegs hat selbige Probleme:
11.08.2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin unglücklicher Pilot Power 3-Besitzer. Ich möchte in Stichworten schildern, warum der Reifen eine absolute Enttäuschung ist.
Vorweg: Ich fahre eine BMW F 800 ST, 85 PS, 85 Nm, durch Abspecken ca. 200 kg vollgetankt, Serienfahrwerk angepasst auf mein Körpergewicht von 85 kg
Erstbereifung Brigdestone BT 21, danach Michelin Pilot Road 2, danach 3x Michelin Pilot Power 2CT (ohne Sonderkennung), aktuell Michelin Pilot Power 3 2CT,
vorgeschriebener Reifendruck v 2,5 bar, h 2,9 bar, aktuell v 2,3 bar, h 2,6 bar (wie mit Vorgänger schon sehr gute Erfahrung gemacht und von Rennfahrern empfohlen)
Unzufrieden weil:
1. Zielungenau, ständig muss korrigiert werden. Schon beim Einfahren (Fettfilm abfahren) festgestellt.
a. Fährt sich wie ein zu stramm eingestellter Lenkungsdämpfer (aber leichteste Stufe) oder
b. Wie ein defektes Lenkkopflager, ist aber i.O.
2. Beim Einlenken fällt Motorrad nicht mehr in Schräglage, sondern muss mit viel Körpereinsatz und Kraft reingedrückt werden.
a. Durch beide Punkte werden zügig gefahrenen Kreisverkehr zur Mutprobe, da Motorrad viel zu träge reagiert
b. Meine Einlenkpunkte kann ich nicht mehr halten, da ich viel zu früh einlenke, da ich Angst habe, durch die Trägheit die Kurve nicht mehr zu bekommen
3. Aufstellneigung beim Bremsen festgestellt – zumindest größere als beim Vorgänger, aber noch das kleinste Übel und weniger der Rede wert. Aber noch gut mit umgehbar.
4. Der Vorgänger hatte eine höhere Eigendämpfung. Auf topfebenen Rennpisten mag der Reifen ja topp sein, aber bei uns im Odenwald, wo wir teilweise Flickenteppiche und Kanten haben, springt das Motorrad sowohl in der Senkrechte als auch in der Schräglage (sehr unangenehm). Da wo ich vorher zügig unbeeindruckt „drüber geflogen“ bin, fürchte ich mich nun – es fühlt sich an, als ob ich Holzreifen hätte.
a. Ich könnte bestimmt mit weniger Reifendruck fahren, aber ich sehe es nicht ein als Otto-Normal-Landstraßen-Fahrer mit Reifenluftdrücken zu experimentieren
5. Der Reifen baut keinen Grip auf. Ich habe bestimmt nicht das Potenzkraftrad, aber ein unter Last in tiefer Schräglage wegrutschendes Hinterrad ist nicht akzeptabel. Mitfahrende Kollegen mit mehr Kraft und Leistung, aber mit Tourenreifen gleichen Fabrikates oder Fremdfabrikaten hatten keine Probleme. Nein, auch der Asphalt hatte keine rutschigen Stellen. Ich habe NULL Vertrauen in den Reifen und habe auch keinen Fahrspaß mehr.
a. Selbst bei einem Renntraining auf dem Hockenheimring hatte der Vorgänger mehr Grip
Zu Punkt 1 und 2 liefert sich mir genauem Hinsehen die Erklärung: Der Reifen hat keine spitze Kontur, sondern er ist wie durch starken Bremsen oder längerer Autobahnfahrt in Mitte schon im Neuzustand schon abgeflacht und hat zum Laufflächenrand eine stärkere Krümmung. D.h., wenn ich in die Kurve einlenken will und langsam zur Seite rolle (seitliches Rollmoment gemeint), dann reicht kein Impuls mehr, sondern je mehr Schräglage ich einfordere, desto mehr Kraft muss ich aufwenden – fühlt sich an, wie gegen einen Gummi zu drücken. Dann plötzlich kippt sie ab. In der Stadt ein Alptraum. Wenn ich das Motorrad in die Kurve reinwerfe, dann fällt dieser konstruktive Fauxpas nicht so auf.
Das Gripniveau liegt auf Reifen aus den Anfängen der 1990er Jahre.
Ich bin absoluter Michelinfan – zumindest bisher. Hatte die Michelinfahne im Freundes- und Bekanntenkreis, bei meinen Fahrschülern und ehemaligen Fahrschülern (stehe über Social Networks immer noch mit diesen in Kontakt und veranstalte 2x im Jahr Ausfahrten und nehme sie mit auf Rennveranstaltungen) und in Internetforen immer sehr hoch gehalten, da sowohl der Road als auch der Power topp waren. Der Road würde eigentlich für mein Motorrad reichen, aber es ist eine Kopfsache…
Nun habe ich 260 Euro zum Fenster rausgeschmissen, für einen Reifen, den ich nicht fahren kann und will. Ich bin mit dem Reifen bisher 356 km gefahren (z.T sind auf der Lauffläche noch die Einspritznoppen). Wäre es denkbar, dass Sie den Reifen auf Kulanz wieder zurücknehmen und gegen den Vorgänger tauschen? Sie würden mir einen großen Dienst erweisen, da mein Budget eigentlich für einen weiteren Satz Reifen nicht ausgelegt war. Sollte ich bis 16.08.2013 keine Stellungnahme von Ihnen erhalten, so werde ich mich am Markt nach Alternativen für dieses und unsere drei weiteren Motorräder umsehen. Entschuldigen Sie bitte das kurzfristige Datum, aber es ist eine Ausfahrt geplant und ich benötige u.U. Zeit für eine Alternativbestellung.
Sonnige Grüße
Antwort Michelin 12.08.2013
Hallo Herr Hübschmann,
nach Rücksprache (bezüglich ihrer geschilderten Erfahrungen) mit unserem Testfahrer und Techniker Achim Penisch hat uns dieser folgende Information zukommen lassen.
• für mehr Performance auf der Rennstrecke hat der Hinterradreifen Pilot Power 3 eine stabilere Karkasse. Dadurch sind Beschleunigungsstabilität und Konstanz des Reifens besser geworden.
• Dementsprechend muss man Power 3 im normalen Landstraßeneinsatz solo mit weniger Luftdruck fahren: vorne 2,2 bar, hinten 2,3 bar.
• Dadurch werden Eigendämpfung und Traktion verbessert sowie die Aufstandsfläche des Reifens in Schräglage vergrössert, wodurch der Grip deutlich zunimmt
• wir haben dies bereits bei einigen Naked Bikes und Supersportlern mit Erfolg ausprobiert. Das Fahrverhalten ist präzise und der Reifen gewinnt deutlich an Grip
• der Grip auf Bitumen ist bei jedem Motorradreifen bescheiden, das muss man aus der Betrachtung rausnehmen
• probieren Sie den niedrigeren Luftdruck aus, der Vorteil ist auch beim Einlenken spürbar
Weitere Informationen finden Sie auch im Internet unter
http://www.michelin-motorrad.deMit freundlichen Grüßen / Sincères salutations / Best regards
i.A. Peter Hoffmann
Kundenservice Zweirad
Deutschland, Österreich, Schweiz
Meine Antwort 13.08.2013
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort.
Punkt 1 Ihrer Aufzählung mag ich nachvollziehen.
Von Bitumen war in meiner Mail nicht dir Rede. Das ist mir schon klar, dass da weniger Grip vorhanden ist. Aber wie gesagt, PP 2 CT und Tourenreifen mit gleichen bzw. stärkeren Maschinen haben an gleicher Stelle keine Probleme.
Was den Reifenfülldrück angeht ist Ihre Aussage eine sehr irritierende, denn wenn ich die Seite Ihrer Reifenfreigaben aufrufe und vor allem auch Ihre Fußnote dazu, werden mir ganz andere Drücke genannt. Ich fühle mich hier ein wenig für dumm verkauft.
Verzeihen Sie mir die Anmerkung, aber dieses Aussagen-Wirrwarr ist ein Fall für die Tops und Flops-Rubrik. In der ADAC-motorwelt für die Spalte „Murks“.
Ich werde den niedrigeren Fülldruck probieren. Dennoch betrübt mich die Tatsache, dass ich auf einem Serienbike für den Landstraßeneinsatz mit Fülldruck experimentieren muss. Das ist otto-normal-verbraucher-praxisfremd.
Wenn Sie mich weiter als Kunden behalten wollen, dann stellen Sie so schnell die Produktion des PP 2 CT nicht ein, denn dieser funktioniert bei jedem Fülldruck!
Sonnige Grüße
Keine Antwort von Michelin
Testergebnis von mir am 14.08.2013, seit dem warte ich auf Reaktion
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
ich habe nun auf Ihr Geheiß hin den Luftdruck vorn auf 2,2 bar und hinten auf 2.3 bar abgesenkt.
Ergebnis:
- Einlenkverhalten mag sich marginal gebessert haben, aber immer noch nicht auf dem Niveau des PP
- Die Zielungenauigkeit bleibt
- Sie hat sich sogar verschlimmert, es rührt nun auch massiv von hinten
- Die bordeigene Luftdruckanzeige warnt mich durch nerviges Blinken vor zu niedrigem Luftdruck
Ein weiterer Versuch; v 2,2 bar, h 2,5 bar (statt 2,6 bar):
- Keine Änderung im Einlenkverhalten zu vorher
- Die Zielungenauigkeit bleibt
- Hinten ist wieder Ruhe eingekehrt
- Es blinkt nichts mehr (sehr angenehm)
Sollten Sie – berechtigterweise – meine Aussagen vielleicht anzweifeln mögen, so bin ich gern bereit, im Internet und in Zeitschriften mir die Mühe zu machen, weitere Stimmen (positiv wie negativ) zu sammeln. Ich würde meine Erfahrungen sowie Ihre Vorschläge schildern, mit der Bitte eigene Erfahrungen mitzuteilen.
Was ich nicht mehr feststellen konnte, ist ein Rutschen. Allerdings hat mich der Mut auf diesen Reifen verlassen – ich habe schlicht weg Angst, wie gewohnt den Hahn zu spannen, das Vertrauen ist weg. Und die Landstraße bietet sich für lebensverneinente Testfahrten nicht an. Somit befand ich mich wohl immer im Wirkungsbereich des Kammschen Kreises. Mich hat auch die Lust verlassen, weiter auf schlechten Straßen die möglicherweise verbesserte Eigendämpfung zu testen, ich will diesen Reifen einfach nicht mehr. Können Sie mir einen Vorschlag machen, wie wir aus diesem Dilemma rauskommen?
Sonnige Grüße
Ich stelle mal eine provokante These in den Raum: Kann es sein, dass die, die mit dem PP3 glücklich sind, einen weniger "aggressiven" Fahrstil pflegen? Ich gebe zu, ich neige hin und wieder zu digitalem Fahrstil und Reifen sind bis zum Rand bezahlt - wenn sie abgenudelt sind, dann nur außen. Die Nippel unter den Fußrasten sind unnötiger Ballast. Aber der PP 2CT hat dieses Spiel mitgemacht, der PP3 nicht.
Sonnige Grüße
Kalli
Wenn Du Schmetterlinge im Bauch haben willst, dann musst Du Dir Raupen in den Hintern stecken!
Ich würde mich ja gern mit Ihnen intellektuell duellieren, aber wie ich sehe sind Sie unbewaffnet...