Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Die neue F800S + F800ST + F800GT im allgemeinen.

Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon ZEN » 03.07.2016, 13:19

Nach rund 50'000 Kilometern mit meiner R1200ST war es Zeit für einen Wechsel. Zwei Motorräder kamen in Frage: die R1200RS und die F800GT, denn nach so vielen Jahren mit wartungsarmem Kardan wollte ich keine Kette als Antrieb. Ich bin beide Maschinen probegefahren und habe mich dann vor allem wegen des Handlings für die kleine GT entschieden. Sicher, die Leistung der RS ist beeindruckend, und die vielen elektronischen Helferlein auch. Aber die Maschine fühlte sich genauso schwer an wie meine ST, und ich wollte eine leichtere und handlichere Maschine. Jetzt habe ich die erste kleine Tour mit 1500 Kilometern hinter mir und kann euch kurz erzählen, ob ich den Wechsel bereue.

- Leistung: Klar, der ST-Boxer hatte mehr Bumms. Aber der 800er-Motor ist dafür erstaunlicherweise elastischer. In grösseren Gängen schüttelte sich der Boxer unterhalb 2500 Touren unwillig, während der 800er ab 2000 Touren ruckelfrei loszieht. Und der nutzbare Drehzahlbereich ist erst noch grösser.

- Laufruhe: Ist beim 800er gut, mit Ausnahme des Bereiches ab 5000 Touren, wo er schon ziemlich vibriert - stärker (oder zumindest störender) als der Boxer. Aber weil der Motor superelastisch und ziemlich lang übersetzt ist, bewegt man sich nur beim starken Beschleunigen, auf der Autobahn oder mit dem "Messer zwischen den Zähnen" längere Zeit in diesem Bereich. Ist also nicht wirklich ein Problem.

- Schaltung: Präzise, aber irgendwie etwas knöcherner als bei der alten ST.
- Bremsen: Sehr gut, auch wenn das Vorderrad natürlich deutlich stärker eintaucht als bei der Telelever-ST und in Kurven auf der Bremse etwas nervöser ist. Hängt aber vermutlich auch mit dem viel agileren Handling der 800GT zusammen. Man gewöhnt sich jedenfalls schnell um.

- Handling: Das Paradekapitel der 800GT. Fährt sich im Vergleich zur ST fast wie ein Fahrrad und ist selbst mit Koffern noch um Welten agiler als die ST ohne. So entspannt und locker war ich mit der ST nicht unterwegs, die Maschine brauchte immer sehr kräftige Lenkimpulse, fuhr dann aber auch wie auf Schienen um die Kurve. Die 800GT lässt sich viel leichter korrigieren. Und natürlich auch rangieren. Die 20 oder 30 Kilo Gewichtsunterschied sind deutlich stärker spürbar, als ich mir das gedacht hätte.

-Tourentauglichkeit: Bin mit der GT am ersten Tag gleich mal 350 Kilometer durch die Alpen gefahren, und das heisst rund 7 Stunden im (höheren) Komfortsattel. War insgesamt sogar etwas bequemer unterwegs als mit der ST, was wohl auch am etwas weniger spitzen Knieweinkel liegt. Federung auf ähnlichem Niveau, auch ohne Telelever. Automatische Dämpfungsverstellung in 3 Stufen ist eine prima Sache und funktioniert sehr gut.

- Gewöhnungsbedürftig: Der "normale" Blinker - nach zehn Jahren Boxer mit separaten Blinkerschaltern kein Wunder. Habe deshalb beim Überholen ab und zu gehupt statt geblinkt... Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist das schwächere Bremsmoment des Motors beim Runterschalten: Hier merkt man natürlich, dass zwei 600er-Kolben stärker abbremsen als zwei 400er, wenn man das Gas wegnimmt. Aber daran werde ich mich bestimmt schnell gewöhnen. Wirklich ein Rückschritt ist nur das Lenkschloss, das bei der 800GT nur in einer Lenkposition einrastet und nicht in zweien wie bei der ST.

Alles in allem: Es muss nicht immer grösser, stärker, schneller (und teurer...) sein! Die 800GT ist ein tolles Tourenmotorrad, und wer damit allein unterwegs ist, wird sicher keinen Leistungsmangel verspüren. Sie fährt sich supereinfach und bequem, der Motor hat zwar nicht einen Super-Boost, aber dafür Gummiband-Qualitäten, sie ist sehr sparsam (Durchschnittsverbrauch über die ersten tausend Kilometer: 4,3 Liter - bei der ST war es etwa ein halber Liter mehr). Ich bereue mein "Downsizing" also überhaupt nicht. Manchmal ist weniger mehr :-)
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon Rick » 03.07.2016, 13:39

Hey Zen,
danke, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst! Für unentschlossene immer eine gute Hilfe. ThumbUP

Ich als F800-Fahrer hatte im Testcamp Almeria die Gelegenheit die R1200RS zu fahren. Ist ein wirklich tolles Teil. Von allen Maschinen die ich da unterm Poppes hatte, hatte ich bei der RS jedoch das Gefühl am meisten 'arbeiten' zu müssen. Sprich der Lenker benötigte viel mehr 'Drücken'. Da ist die GT wirklich wesentlich handlicher.

Na dann noch viele schöne Touren mit deinem neuen Riementrieb winkG
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon hawkuser » 03.07.2016, 16:11

Sehr schöner Bericht, danke schön.
Gruß Dirk
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon Skater » 04.07.2016, 18:36

Dein Bericht gefällt mir.
Ich hatte vor zwei Wochen eine R1200R als Leihmotorrad.
Kann das Motorbrummen unter 2.500 1/min bestätigen.
Ich dachte, ich könnte die R1200R schaltfauler bewegen.
In der Stadt einen Gang höher und auf der Landstraße einen Gang niedriger. Mehr war nicht drin.

Allerdings empfand ich die Bremse der R1200R viel besser als bei meiner F800ST (68.000 km). Besser dosierbar.
Und der Motor war viel ruhiger. Meine F800ST (68.000 km) produziert wesentlich mehr 'Lärm'.

Gruß Skater
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon ZEN » 04.07.2016, 22:31

Skater hat geschrieben:Dein Bericht gefällt mir.
Ich hatte vor zwei Wochen eine R1200R als Leihmotorrad.
Kann das Motorbrummen unter 2.500 1/min bestätigen.
Ich dachte, ich könnte die R1200R schaltfauler bewegen.
In der Stadt einen Gang höher und auf der Landstraße einen Gang niedriger. Mehr war nicht drin.

Allerdings empfand ich die Bremse der R1200R viel besser als bei meiner F800ST (68.000 km). Besser dosierbar.
Und der Motor war viel ruhiger. Meine F800ST (68.000 km) produziert wesentlich mehr 'Lärm'.

Gruß Skater


Danke für das Feedback :-) Das mit der Bremse ist gut möglich. Meine ST hatte noch einen (oft kritisierten) Bremskraftverstärker, der die Dosierung nicht unbedingt feinfühlig erledigte. Und das mit dem Sound hab ich vermutlich unbewusst verdrängt. Bin kürzlich eine Zero gefahren, so was wie ein Tesla auf zwei Rädern, und war begeistert: Nur ein leises Sirren vom Zahnriemen, das ist alles. 190 Kilo leicht und ein Wahnsinns-Durchzug. Wenn die Reichweite etwas grösser wäre, hätte ich wohl eine solche Maschine gekauft. Ich brauch keine lauten Motorgeräusche, um glücklich zu sein. Und die F800 GT ist tatsächlich lauter als der Boxer. Tönt für meine Ohren schlechter, irgendwie ein bisschen prollig. Zum Glück hab ich einen prima Helm von Shoei, der das meiste wegdämpft. Aber das ist natürlich Geschmackssache: Andere Mopped-Fahrer würden sich den Endtopf ja am liebsten direkt in die Ohren stecken ;-)
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon GT-Rider » 17.09.2016, 19:29

Welche Version der R1200R hast du gehabt? Ich habe vor längerer Zeit noch ein paar verschiedene 1200er gefahren, aber noch mit dem luftgekühltem Motor. Das hat mich, gerade im Vergleich mit meiner GT auch nicht vom Hocker gerissen. Die 800er GT ist schon rundum sehr gelungen und hat kaum wirkliche Schwachpunkte. Overall sicher schwer zu toppen, gerade wenn man, so wie ich auch, im Alpenraum zu Hause ist und somit gerne etwas handliches haben möchte. Die R1200R mag ich aber schon sehr. Habe diese aber noch nicht gefahren...

Skater hat geschrieben:Dein Bericht gefällt mir.
Ich hatte vor zwei Wochen eine R1200R als Leihmotorrad.
Kann das Motorbrummen unter 2.500 1/min bestätigen.
Ich dachte, ich könnte die R1200R schaltfauler bewegen.
In der Stadt einen Gang höher und auf der Landstraße einen Gang niedriger. Mehr war nicht drin.

Allerdings empfand ich die Bremse der R1200R viel besser als bei meiner F800ST (68.000 km). Besser dosierbar.
Und der Motor war viel ruhiger. Meine F800ST (68.000 km) produziert wesentlich mehr 'Lärm'.

Gruß Skater
Gruss, Wilhelm
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon Mopedfan71 » 23.07.2017, 10:10

ZEN hat geschrieben:...Automatische Dämpfungsverstellung in 3 Stufen ist eine prima Sache und funktioniert sehr gut.



Danke für deinen Bericht, dem ich als Besitzer einer F800ST und nach Probefahrt eines neuen Vorführers (1200ST) nur in einem Punkt widersprechen möchte:

Das ESA ist bei der 1200er miserabel (gefährlich?), da die Zugstufe viel zu lasch ist und lt. Händler nicht getrennt einstellbar ist.
Im Weichen Modus schwankt das Moped vertikal bei Unebenheiten intensiv und lange nach, bei "Sporteinstellung" stimmt die Zugstufe, aber holpert durch die zu hohe Druckstufe durch die Kurve. Saubere Linien bei zügiger Fahrweise sind nicht möglich.
Spieglein, Spieglein an der Wand - wer hat das schönste Moped hier im Land?
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon GT_FAHRER » 22.10.2017, 19:07

Dann bin ichja mal gespannt wie sich das bei meinem geplanten Umstieg von einer R1150RT auf eine F800GT anfühlt.

Werde im nächsten Frühjahr auch mal meine Eindrücke schildern, da der Gewichtsunterschied von der RT zur GT
noch grösser ist.

Von der Leistung her sinds ja nur 5PS weniger bei der GT (RT 95PS)


lG Peter
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vorher DKW RT159, Honda CB250RS, Suzuki GSX400S
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon HarrySpar » 22.10.2017, 19:13

Von der GT kenne ich bislang nur eine einzige Leistungsmessung.
Und die ergab 94PS.
Harry
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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon EFANNGETE » 27.10.2017, 19:32

Hallo ZEN,
vielen Dank für deinen so ausführlichen und vergleichenden Bericht.

Meine Entscheidung zur GT war ein Update und kann für so einen Bericht nicht herhalten.
Ich finde es immer interessant dies lesen zu können um dann beim Fahren zu prüfen,
wo liegen bei mir Probleme oder neue Vorzüge.

Viel Spaß und tolle Touren

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Re: Umstieg von R1200ST auf F800GT: ein Erfahrungsbericht

Beitragvon ike » 28.10.2017, 03:46

Danke ZEN für den gut geschriebenen und erklärten Beitrag.

Jaja viele verkennen die Handlich- und Wendigkeit der 800er Baureihe.
Und sind dann bei einer Probefahrt oft überrascht was da für ein Potential drin steckt.
Es muss ebend nicht immer ein "Dickschiff" sein clap
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